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Schreibatelier Frölich

Michaela Frölich - Publizistin M.A.

Glücksgeschichten

Wenn ich Menschen begleite, ihre Lebensgeschichte zu erzählen oder aufzuschreiben, fließt immer mal der Satz „Da habe ich Glück gehabt …“ ein: Dann, wenn das Leben eine positive Wende machte, wenn eine helfende Hand sich einem entgegenstreckte, wenn etwas Wunderbares erlebt wurde. Was wäre nun, wenn man im Rückblick ganz bewusst versuchen würde, vor allem an glückliche Momente zu erinnern, sich auf die glücklichen Momente im Leben zu konzentrieren?


Dann entstehen „Glücksgeschichten“. Geschichten, die den Erzählenden als auch den Lesenden erfreuen, die ein Lächeln aufs Gesicht zaubern und die die Gegenwart bereichern können. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Erinnerungen an Glücksmomente fast genauso viele Endorphine, sprich Glückshormone, freisetzen, wie das direkte Erleben eines Glücksmomentes. Das heißt, Glückserfahrungen zu erinnern, bedeutet schöne Erfahrungen gleich zwei-, drei- oder mehrmals zu erleben.

Erzählen und aufschreiben lassen

Im Projekt „Glücksgeschichten“ (2021/2022) vom Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Hessen e.V., Regionalverband Hessen, war genau dies ein Ziel: Menschen zu besuchen, die sich im Alter einsam fühlen und sie aufzumuntern, indem sie sich noch einmal an die glücklichen Lebensmomente erinnern. Denn im Alter haben Menschen oft das Bedürfnis, auf ihr Leben zurückzuschauen, noch einmal in der Erinnerung wachzurufen, was das Leben bereicherte, aber auch, was das Leben erschwerte, denn dies kann zum Nachdenken anregen, wie man dies durchgestanden hat. Wenn dann die glücklichen Lebensbegegnungen und Erfahrungen im Mittelpunkt stehen, strahlen Freude und Mut in den Gesichtern, und das nicht nur beim Erzählen, sondern auch später beim Lesen.
Im Projekt „Glücksgeschichten“ besuchten ehrenamtlich Schreibende über einen mehrmonatigen Zeitraum ältere Menschen und ermunterten sie, sich ihrer Glücksmomente im Leben zu erinnern. Damit die Glücksschreiberinnen und Glücksschreiber gut vorbereitet waren, schulte ich sie im autobiografischen Schreiben und darin, Erinnerungen an Glück bei den Erzählerinnen und Erzählern anzuregen, das Glück im Rückblick wahrzunehmen und im Gespräch rückblickend auch in manch einer schwierigen Lebensphase aufzuspüren.

„Willst du immer weiterschweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.“
(Johann Wolfgang Goethe)

Vom Zufallsglück und vom Glück der positiven Perspektive

Dass es zweierlei Glück im Leben gibt – das Zufallsglück, als Geschenk des Lebens, und eine Glücksfähigkeit, das Leben positiv zu betrachten – wurde dabei für die Erzählenden als auch die Zuhörenden erfahrbar. Umso mehr, wenn sie neben den Sonnentagen auch über die Regentage erzählten. Denn so sehr die vermeintlich glücklichen Zufälle im Leben große Freude brachten, bereicherten Glückserfahrungen, zum Beispiel ein bewusstes Erleben von Sinn im Rückblick, die Fähigkeit, sich mit Vergangenem auszusöhnen. Wer erkennen kann, was war, und wofür etwas gut war oder wer oder was geholfen hat, Glück zu erleben, bereichert seine Gegenwart und macht Mut für die Zukunft.
Denn, und das ist meine Erfahrung beim Verfassen von Lebensgeschichten, wer einmal Glück hatte, hatte auch zwei- und dreimal Glück im Leben, oder anders gesagt, wer eine Erfahrung als Glück erlebte, vermag im Rückblick auch andere Erlebnisse als solche wahrzunehmen.

Bücherübergabe Glücksgeschichten
Feierliche Bücherübergabe, Rathaus Wiesbaden, ABS-Westhessen

Als schließlich im Mai den Glückserzählerinnen und Glückserzählern und den Glückschreiberinnen und Glückschreibern jeweils ein fertiges Buch mit „Glücksgeschichten“ überreicht werden konnte, freuten sich alle Projektbeteiligten. Im Herbst wird das Projekt in die zweite Runde gehen. Wer Interesse hat, sich als Glückschreibender ausbilden zu lassen und ehrenamtlich Glücksgeschichten aufzuschreiben, kann sich beim ASB Wiesbaden, Stefanie Belz, informieren: Tel. 0611-1818-199.